Ein neuer Arbeitsplatz, ein neuer Lebenspartner oder die Aussicht auf geringere Steuern: die Gründe für einen Wohnsitzwechsel sind vielfältig und nicht immer frei wählbar, sondern manchmal durch äußere Umstände bedingt. Und doch sind die Rechtsfolgen in vielerlei Hinsicht bedeutsam. Insbesondere der Umzug in ein anderes Land, zum Beispiel für viele Saarländer ins grenznahe Frankreich, ist aus steuerlichen Gründen und wegen geringerer Grundstückspreise beliebt. Dass dies nicht nur im Alltag bei den dort geschlossenen Verträgen zur Anwendung fremden Rechts, sondern auch in erbrechtlicher und familienrechtlicher Hinsicht zu einem Wechsel des anwendbaren Rechts führt, ist jedoch vielen nicht bewusst.
Die Europäische Erbrechtsverordnung
So findet z.B. französisches Erbrecht im Falle eines deutschen Staatsangehörigen Anwendung, der bei seinem Tod seinen letzten ständigen Aufenthalt in Frankreich hatte. Allerdings lässt diese Erbrechtsverordnung immerhin noch die Möglichkeit offen, dies durch Wahl des deutschen Rechts in einem Testament zu ändern. Die Erbquoten, das Pflichtteilsrecht und die Abwicklung des Erbfalls weichen in den beiden Rechtsordnungen je nach Einzelfall erheblich voneinander ab. Es empfiehlt sich also, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, da die Gerichte bereits ab einem ständigen Aufenthalt von etwa sechs Monaten einen ständigen Wohnsitz vermuten, sofern nicht andere Umstände wie Langzeiturlaub etc. dagegensprechen. Gerade Rentner, die längere Zeit ganz im Ausland leben oder einen zweiten Wohnsitz dort einrichten (z.B. zum Überwintern länger als die Hälfte des Jahres nach Mallorca oder auf die Kanaren flüchten) laufen Gefahr, unbemerkt und ungewollt in eine fremde Rechtsordnung „hineinzuschlittern“.
Die Europäische „Rom III“-Verordnung
Auch im Familienrecht bestimmt eine europäische Verordnung („Rom III“ genannt), dass nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der Lebensmittelpunkt ausschlaggebend dafür ist, welches Recht z.B. im Falle einer Scheidung anwendbar ist. Ebenso wie im obigen Beispielsfall wäre daher für ein deutsches Ehepaar, das in Frankreich lebt, für die Scheidung französisches Recht anwendbar. Auch dies wäre in einem Ehevertrag noch durch die Wahl deutschen Rechts abänderbar. Nicht möglich ist dies jedoch für einige Folgesachen wie zum Beispiel der Streit um das Sorge- oder Umgangsrecht mit gemeinsamen Kindern, die nach der Trennung in Frankreich verblieben sind oder den Unterhalt für diese. Hier ist zwingend französisches Recht anwendbar, dies lässt sich nicht durch vorherige Vereinbarung ändern.
Der Gerichtsstand der EuGVVO
Wichtig ist auch zu wissen, dass der Wohnsitz manchmal nicht nur das anwendbare Recht bestimmt. Es gibt auch Fälle, in denen der Wohnsitz auch den Gerichtsstand, also den Ort, wo Verfahren geführt werden, bestimmt. Dies gilt z.B. im Verhältnis von Verbrauchern zu Unternehmen im europäischen Rechtsverkehr sowohl für passive als auch aktive Klagen, also zum Beispiel bei Mängeln einer Ware oder Dienstleistung. Hier kann der Verbraucher am Gericht seines Wohnortes die Klage einreichen und muss nicht mit dem Gericht des Unternehmens, was weit weg im Ausland liegen kann, vorliebnehmen. Allerdings kann es im Einzelfall aber auch passieren, dass Gerichtsort und anwendbares Recht auseinanderklaffen, z.B. Buchung einer Ferienwohnung in Spanien durch einen deutschen Verbraucher in Saarbrücken über eine spanische Immobilienfirma. Gerichtsort wäre Saarbrücken, aber das Gericht müsste spanisches Recht anwenden.