Was ist ein Krankenschein noch wert?

Im deutschen Arbeitsrecht regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz den Anspruch jedes Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Voraussetzung der Lohnfortzahlung ist, dass das Arbeitsverhältnis mindestens 4 Wochen bestanden hat und der Arbeitnehmer infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig ist.

Den Nachweis einer Erkrankung wird der Arbeitnehmer regelmäßig durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbringen.

Der sogenannte „gelbe Schein“ ist jedoch seit dem 01.01.2023 Geschichte. Ab dem Jahr 2023 erfolgt die Krankmeldung der Arztpraxis auf digitalem Weg an die Krankenkasse und der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse auf elektronischem Weg anzufordern.

Dadurch ändert sich jedoch nichts an der Verpflichtung des Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber unverzüglich über seine Krankheit zu informieren.  Wenn er dies nicht tut, verletzt er seine Pflicht aus seinem Arbeitsvertrag. Geschieht dies mehrfach, muss er mit einer Kündigung des Arbeitsvertrages rechnen.

Regelmäßig reicht die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, zum Nachweis des Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nachzuweisen. Durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird der Arbeitnehmer daher regelmäßig von seiner Arbeitspflicht befreit, weil ihm die Arbeitsleistung ohne sein Verschulden unmöglich wird (§ 275 BGB).

Es entsprach einer gefestigten Rechtsprechung, dass die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreichte, um eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nachzuweisen. Aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde die Vermutung abgeleitet, dass der Arbeitnehmer tatsächlich infolge Krankheit arbeitsunfähig war. In dem Fall oblag es dann dem Arbeitgeber im Rechtsstreit, diesen Beweiswert zu erschüttern. Erst dann war der Arbeitnehmer gezwungen, beispielsweise durch Vernehmung des behandelnden Arztes seine Krankheit und damit seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.

Diese Rechtsprechung wurde nunmehr durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufgeweicht.

In einem Urteil vom 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass, wenn eine Beschäftigte ihr Arbeitsverhältnis kündigt und sie am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, dies dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern kann, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses umfasst.

In dem Fall hat eine Arbeitnehmerin fristgemäß gekündigt. Gleichzeitig legte sie dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d. h. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist reichte. Der Arbeitgeber hat die Lohnfortzahlung mit der Begründung verweigert, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert.

Nachdem die Arbeitnehmerin in den beiden ersten Instanzen Erfolg und ihrer Zahlungsklage stattgegeben hatte, hat das Bundesarbeitsgericht die Klage der Arbeitnehmerin mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei. Dies sei dann der Fall, wenn der Arbeitgeber tatsächliche Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Die ernsthaften Zweifel sah das Bundesarbeitsgericht darin, dass die Arbeitnehmerin am 08. Februar gekündigt hat und gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 08. Februar 2019 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingereicht hat.

In einem solchen Fall ist der Arbeitnehmer jedoch nicht rechtlos gestellt. Vielmehr ändert sich nur die Beweislast. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, nachzuweisen, dass er tatsächlich krank war. Diesen Nachweis kann er in der Regel führen, in dem er den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbindet und ihn als Zeugen im Prozess benennt.

Für Arbeitgeber ist diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine Erleichterung, da es immer wieder vorkommt, dass mit der Kündigung auch eine Krankmeldung abgegeben wird. Wenn der Arbeitgeber dann die Entgeltfortzahlung für die Dauer der Krankheit verweigert, ist der Arbeitnehmer gezwungen vor Gericht eine Lohnklage einzureichen.

Die Erfahrung zeigt, dass die Instanzengerichte diese Rechtsprechung über die Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bisher selten auf andere Sachverhalte anwenden. Einem Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin ist daher im Zweifel zu raten, beim Arbeitsgericht Klage einzureichen.

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